
Mangelwirtschaft der Wissensvermittlung
Als Mutter von drei Kindern nehme ich seit ca. 15 Jahren regelmäßig an Elternabenden teil.
Der gestrige hatte es in sich. Nicht nur inhaltlich, sondern auch emotional. Neben den üblichen Themen wie Vorhaben für das kommende Schuljahr, Klassenfahrt und Wahl der Elternvertreter, rückte ein Punkt in den besonderen Fokus: der Lehrernotstand an unseren Schulen auch hier vor Ort.
Dass dieser in den vergangenen Jahren zu einer der gravierendsten bildungspolitischen Herausforderungen entwickelt hat, wurde mir gestern so richtig bewusst. Kritischer Lehrernotstand, ausfallende Stunden und ein Kollegium, das aufgrund der unplanbaren Situation und unter der enormen Arbeitsbelastung zunehmend an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gelangt. Überstunden werden nicht mehr bezahlt und trotzdem geleistet, GTA-Angebote müssen zusammengestrichen werden, Inklusion kaum leistbar.
Der Freistaat Sachsen versucht den Unterrichtsausfall besser zu verteilen, indem er Lehrkräfte von Schulen abzieht und hauptsächlich an Oberschulen entsendet. Wo ohnehin schon Mangel besteht, wird noch mehr Mangel in Kauf genommen, um noch größeren Mangel in geringeren Mangel zu verbessern. Mangelwirtschaft! Ein genialer Schachzug der Verantwortlichen? Ich sage: NEIN!
Eine Mutter berichtete davon, dass die Abschlussklasse Ihres Kindes im Schuljahr 24/25 sechs Wochen lang nicht in Mathe unterrichtet wurde. Kein Einzelfall. Diese besorgniserregende Entwicklung erfüllt nicht nur die direkt Betroffenen – Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonal sowie Eltern – mit großer Sorge, sondern ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, denn Bildung ist das Fundament unserer Zukunft.
Mir stellt sich die drängende Frage: Wenn Bildung über einen längeren Zeitraum nicht im geforderten Maß und entsprechend der Lehrpläne stattfinden kann, welchen Bildungsstand haben dann unsere Kinder? Diese Frage hatte ich bereits vor einigen Jahren, als ein Virus unser gesellschaftliches Leben lahmlegte.
Die Frage danach, was es braucht, um diesem Zustand schnellstmöglich und dauerhaft entgegenzuwirken, kann ich nicht beantworten. Der Lehrermangel auch hier bei uns vor Ort ist das Ergebnis komplexer struktureller, demografischer und politischer Faktoren, die sich über Jahre hinweg aufgestaut haben. Was ich den Verantwortlichen empfehlen möchte, ist: Hören Sie der Basis, den Betroffenen zu! Nehmen Sie die Sorgen und Nöte ernst! Schauen Sie genau hin! Reden Sie nichts schön! Werden Sie nachhaltig und wahrnehmbar aktiv – für die Sicherung der Bildungsqualität.
Warum der gestrige Abend auch emotional besonders war? Weil erstmals in den letzten 15 Jahren Klassenlehrerinnen vor mir standen, welche bezüglich der offensichtlich noch nie dagewesenen Situation derart professionell mit Ihren Emotionen kämpfen mussten, dass auch ich den Tränen nahe war. Ihr Appell, Beschwerden nicht an die die Anweisungen ausführende Schulleitung, sondern direkt an das Kultusministerium (Leitung - Staatsminister Conrad Clemens, CDU) zu richten, ist bei mir angekommen.
Ulrike Gruseck
Ortschaftsrätin Graupa & Mitglied im Freie Wähler - Wir für Pirna e. V.